Im Schatten der 13" – Ein Plädoyer für das 11" iPad Pro

Die neuen iPad Pro sind nun seit mittlerweile fast drei Monaten auf dem Markt und der Hype nimmt nur wenig ab. Reviews kommen regelmäßig – sowie ja auch dieser Bericht. Doch je mehr Reviews ich höre oder lese, desto mehr beschleicht mich das Gefühl, es gäbe nur eine richtige Wahl für den Kauf: Das 13 Zoll iPad. Es wird bejubelt, dass endlich auch das iPad Air in dieser Größe verfügbar ist und somit auch Nutzer, die keine „Pro-Bedürfnisse“ haben, auf diese Größe setzen können. Und zähle man sich zu der Gruppe derjenigen, die ein Pro brauchen oder wollen, stelle sich die Frage kaum: 13 Zoll.

Die Reviewer nutzen durchweg die große Version, meist sogar im Magic Keyboard und es gibt Aussagen, wie vom YouTuber iKnowReview, der sagte, die große Version sei in allem gut, außer Filme und Serien schauen. Denn bei dieser Art des Medienkonsums sei das 4:3-Seitenverhältnis hinderlich, da es große schwarze Balken produziert. Ich bin da anderer Meinung und sehe noch einen ganz entscheidenden weiteren Punkt, in dem die 11-Zoll-Variante brilliert. Aber darauf komme ich gleich zurück.

Es scheint, als stünde die kleine Version im Schatten der Großen. Doch wieso eigentlich? Die Vermutung liegt nahe, dass weiterhin die romantisierte Vorstellung existiert, das iPad könne ein produktives Arbeitsgerät, wie ein MacBook, ersetzen. Und möchte man produktive Arbeiten vom iPad aus erledigen, dann ergibt die große Variante tatsächlich Sinn. Mehr Platz für kreative Arbeiten, wie Foto- oder Videobearbeitung. Mehr Platz in Apples hauseigener App Freeform zum Brainstormen. Mehr Platz für Multitasking im Stage Manager. Natürlich ergäbe die große Variante Sinn.

Doch wird hier die große Variante nicht aufgrund einer falschen Prämisse angepriesen?! Kann und soll das iPad so verwendet werden? Apple selbst sagte zwar, „dein nächster Computer ist kein Computer“. Doch war dies eher ein leeres Versprechen des Unternehmens aus Cupertino.

iPad Pro Slogan: Dein nächster Computer ist kein Computer

Apple nutzte diesen Slogan selbst

Aber lass mich erklären. Ich komme vom 12,9 Zoll iPad Pro mit M1 Chip aus dem Jahr 2021. Ich kaufte die 2TB-Version direkt nach der Vorstellung. Zum einen begeisterte mich das Mini-LED-Display, welches nur die große Variante besaß. Doch zum anderen war ich verzaubert von der Idee, kein MacBook mehr zu nutzen und alles vom iPad aus zu machen.

Selbst, wenn ich außenvorlasse, dass die ersten Pro-Apps noch auf sich warten ließen, muss ich sagen, dass selbst nach Veröffentlichung von Pro Apps, wie Final Cut Pro für iPad und Logic Pro für iPad das Gerät kein vollwertiger MacBook-Ersatz wurde.

Ich selbst schneide für die eigene Familie gern Videos. Dies auch gern etwas ambitionierter und da merkt man einfach, dass die „Pro-Apps“ von Apple weiterhin eher kleine Geschwister der macOS-Pendants sind. In Final Cut Pro fürs iPad ist ein Speed Ramp – eine Veränderung der Video-Geschwindigkeit, z.B. von normaler Geschwindigkeit hin zu einer Timelapse – nicht möglich. Exportieren der Videos ist nur im Vordergrund möglich. Sobald Final Cut in den Hintergrund geht, bricht der Export ab. Etwas, das auf dem Mac undenkbar wäre. Viele weitere Punkte, die ich ebenfalls kritisieren würde, hat Federico Viticci in einem Artikel auf MacStories.net sehr gut dargelegt und ich würde den Beitrag so unterschreiben. Ein prominentes Beispiel von jemanden, der erst dieses Jahr auf das stumme Versprechen Apples hereingefallen ist, das iPad könnte ein MacBook ersetzen, ist Mrwhosetheboss, der attestierte, „Dear Apple – The iPad needs help“ (Liebes Apple – das iPad braucht Hilfe).

Wenn das iPad also in den meisten Fällen doch kein MacBook ersetzen kann, ergeben die 13 Zoll dann tatsächlich so viel Sinn? Hier möchte ich auf den oben angesprochenen, weiteren Punkt zusprechen kommen, in welchem die 11-Zoll-Version brilliert: Portabilität.

Ich habe mein M1 iPad Pro mit 12,9“ verkauft und mir die kleine Variante des neuen iPad Pro zugelegt. Da beide Versionen der neuen Version mit einem OLED-Display ausgestatte sind, ergibt die Ausstattung endlich keinen Unterschied mehr in der Kaufentscheidung. Und ich genieße es, das Gerät einhändig auf dem Sofa zu halten. Es macht Spaß, gerade noch einmal Game of Thrones auf dem Gerät zu schauen. Mein iPad sitzt nun einfach im Smart Folio, statt im Magic Keyboard, sodass ich das Gerät gar nicht erst als Laptop-Ersatz nutzen möchte und es schmeichelt dem Gerät sehr viel mehr, als der klägliche Versuch, mit Workarounds Aufgaben zu erledigen, die ich vom MacBook aus in Minuten fertig habe. Die 11-Zoll-Variante verkörpert für mich das „Tablet-Gefühl“ sehr viel mehr als das große Pendant. Deshalb möchte ich auch eine Lanze dafür brechen, dass Apple sich entschied, die iPads dünner zu machen. In einigen Rezensionen hagelte es auch hierfür Kritik, niemand habe danach gefragt. Aber für all diejenigen, die das iPad als Tablet nutzen, ergibt die Entscheidung Sinn, denn es wurde dadurch auch deutlich leichter. Ich hatte vor Kurzem das M1 iPad Air parallel zu meinem M4 iPad Pro in der Hand und das Tragegefühl war spürbar angenehmer. Für alle, die das iPad also als Freizeitgerät nutzen, ergibt das geringere Gewicht Sinn. Und für alle, die das iPad als produktives Arbeitsgerät nutzen wollen, um akkufressende Apps, wie Final Cut stundenlang zu nutzen… Nun, ketzerisch könnte man sagen, dann nutzt das iPad doch an den Strom angeschlossen, um das MacBook-Gefühl zu vollenden. Ernsthaft muss man eingestehen, dass dann natürlich der vereinzelte Ruf nach mehr Akku erklärbar ist. Aber auch hier wird deutlich, dass Apple das iPad nicht als Gerät für solche Arbeiten etablieren will und ich bin mir sicher, ein MacBook wäre die sinnvollere Wahl. Auch, dank des größeren Formfaktors und dem damit größeren Akku. Ich kann die romantisierte Vorstellung, solche Tätigkeiten nur noch vom iPad zu erledigen, komplett nachvollziehen. Aber glücklicher mit meinem iPad wurde ich, als ich es wieder als das Gerät genutzt habe, das es ist: Ein mobiles Tablet.

Trotz des geringen Gewichts und der kleineren Größe ist mein iPad leistungsstark genug, damit ich mein MacBook im Urlaub zuhause lassen kann. Das iPad reicht völlig aus, um hier und da auch mal produktive Arbeiten zu erledigen. Texte, wie diesen hier, schreiben. Einen Podcast aufnehmen. Fotos bearbeiten. (Hochwertigere) Videos für Social Media schneiden. Geht alles. Also wenn du über ein neues iPad nachdenkst, sei ehrlich zu dir! Bist du eher der Konsument, der hin und wieder mal „etwas mehr“ machen möchte oder bist du wirklich der „Pro-User“? Wenn du dich eher zur ersten Kategorie zählst, wie vermutlich die meisten von uns, dann könnte die 11-Zoll-Variante vielleicht mehr deinen Geschmack treffen.

Das war mein Plädoyer für das, wie ich finde, teilweise untergegangene 11“ iPad. Wie du dich auch entscheidest, mit keinem iPad liegst du falsch. Es sollte nur nicht mehr so wirken, als sei die große Version, die einzig Wahre. In diesem Sinne, viel Spaß mit dem Gerät!

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